Beiträge von Halterner Schüler:innen zur Gedenkveranstaltung am 9.11.2023

Wie empfinden junge Menschen die Verletzung von Menschenrechten, im  konkreten Fall die Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung der Juden? Was löst dies bei ihnen aus? Sehen sie Verbindungen zu ihrem eigenen Leben? Die Redebeiträge der Schülerinnen und Schüler Halterner Schulen auf der Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht 1938 in Haltern geben hier erste Antworten. Die Beiträge verweisen auf unser aller Gegenwart und Zukunft und sind unverzichtbar für uns.
[1]Die Namen der Redner und Rednerinnen nennen wir wie in den früheren Jahren nicht; wir trennen auch nicht zwischen Schulformen. Wir wollen allen Schülerinnen und Lehrinnen nochmals herzlich danken. … Continue reading

Gespräch zur Reichspogromnacht am 9.11.

Ein Beitrag stellt das Schicksal jüdischer Schüler und Schülerinnen in den 1930er Jahren der wahrgenommen Situation heutiger Schüler:innen in Form von fiktiven Gesprächsbeiträgen gegenüber.

Mein Name ist Hanna Lore Daniel[2]Siehe dazu auch den Beitrag des Medienvereins über den Stolperstein für die Familie Daniel; https://medienverein.org/stadtrundgang/familie-daniel. Ich wurde am 11. Mai 1928 in Haltern geboren. Ich war bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten eine Schülerin der Marienschule in Haltern. Da ich gehbehindert war, war es für mich nicht mehr möglich die jüdische Schule in Recklinghausen zu besuchen. Ich wollte weiter lernen, konnte es aber nicht. … Während der Reichspogromnacht wird mein Zuhause geplündert und in Brand gesteckt. Meine geliebte Puppe landet in den Flammen. Ich bin verzweifelt.

Ich [dagegen] brauche keine Angst davor zu haben, dass jemand in mein Zuhause eindringt und es zerstört – aber trifft das auch wirklich für alle Menschen in Deutschland zu? ALLE [sprechen zusammen][3]Die Zusätze in eckigen Klammern stammen von mir, WN: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit  Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“

Realität der Menschenrechte

Eine zweite Gruppe von Beiträgen fragt noch stärker als der erste nach der Realität der Menschenrechte.

“Jeder Mensch sollte so akzeptiert werden wie er ist – aber ist das auch so?
Was ist LGBTQ? Diese Abkürzung steht für „Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transgender und Queer“. In Deutschland haben 80% dieser Menschen Erfahrungen mit Diskriminierung, 60% mit Beschimpfungen, 21% der schwulen Männer und 12% der lesbischen Frauen haben körperliche Gewalt erlebt. 60% Menschen haben Angst als homosexuell erkannt zu werden.
Ich wünsche mir,…
…dass niemand Angst davor haben muss, so zu sein wie man ist oder sich fühlt und dies auch allen anderen zeigen kann.
…dass Menschen andere Menschen respektieren und das Andersein akzeptieren.”

“Niemand wird von anderen ausgeschlossen oder ausgelacht – aber ist das auch so?
Mobbing – immer noch ein weit verbreitetes Problem. Menschen werden wegen ihres Aussehens, ihrer Klamotten oder ihres Verhaltens gemobbt. Da möchte jemand nicht mitrauchen, oder was „Neues“ ausprobieren, die Frisur ist falsch, man ist zu dick oder zu dünn, versteht im Unterricht vielleicht nicht alles sofort oder spricht die Sprache noch nicht richtig… und schon steht man im Abseits,
Ich wünsche mir,…
… dass Menschen sagen dürfen, wenn es ihnen schlecht geht, ohne ausgelacht zu werden
… dass wir uns gegenseitig mit Respekt behandeln und einander bei Problemen helfen, anstatt andere bloß zu stellen oder deren Schwächen auszunutzen
… dass sich jeder Mensch, so wie er ist, gut fühlen kann.

“Jeder darf frei seine Religion ausüben – aber ist das auch so?
Menschen werden wegen ihrer Religion immer wieder verfolgt, diskriminiert, eingesperrt und sogar getötet wie zum Beispiel die Jesiden im Irak, die schon lange im eigenen Land, aber auch in anderen Ländern verfolgt werden.
Ich wünsche mir,…
… dass alle ihre Religion überall auf der Welt frei ausleben dürfen.
… dass die Religionen ein friedliches Miteinander pflegen.”

Der dritte Beitrag greift Elemente einer Rede von Martin Luther King auf und wendet sie auf die heutige Situation an.

We have a dream

“Trotz der Schwierigkeiten, mit denen wir heute und morgen konfrontiert sind, haben wir noch immer einen Traum. …
Wir haben heute einen Traum!
Wir haben den Traum, dass eines Tages im Nahen Osten, in dem seit langer Zeit immer wieder endlose Konflikte, grausame Kriege und brutale Attentate passieren, dass in diesem Nahen Osten eines Tages kleine jüdische Jungen und Mädchen mit kleinen muslimischen Jungen und Mädchen wie Brüder und  Schwestern Hand in Hand gehen können.
Wir haben den Traum, dass wir eines Tages nicht mehr Muslime, Christen oder  Juden, sondern in erster Linie einfach Menschen sind.”

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Die Namen der Redner und Rednerinnen nennen wir wie in den früheren Jahren nicht; wir trennen auch nicht zwischen Schulformen. Wir wollen allen Schülerinnen und Lehrinnen nochmals herzlich danken. Danke auch dafür, dass Sie uns die Texte zur Verfügung gestellt haben.
2 Siehe dazu auch den Beitrag des Medienvereins über den Stolperstein für die Familie Daniel; https://medienverein.org/stadtrundgang/familie-daniel
3 Die Zusätze in eckigen Klammern stammen von mir, WN