Nachdenk-Impuls: Krieg in der Ukraine

Bernhard Damm

Wir haben beschlossen, uns Nachdenkzeit zu gönnen.[1]Im Forum haben wir beschlossen, dass wir uns bei unseren Treffen Zeit zum Nachdenken gönnen wollen. Als Anregung zum Nachdenken soll jeweils ein ca. 5-minütiger Impuls dienen. Bernhard Damm hat … Continue reading Dazu sollte jeweils ein einleitender Impuls erfolgen. Das bedeutet, uns auszutauschen darüber, wie wer Situationen, die aktuell sind, einschätzt. Es müssen keine grob-kontroversen Diskussionen sein. Vielmehr: Mitteilungen über das eigene Denken und Urteilen. Deshalb ein paar wenige Gedanken.

Zugespitzte Positionierungen/ Fragen

Die philosophischen Grundfragen bei Kant gelten heute aktuell wie immer:

„Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?“

Wendezeit/ Zeitenwende/ Zeitenbruch (P. Steinbrück) – vieles steht infrage. Zerbrochen die Idee, in Europa sei Krieg auszuschließen (vom Balkan mal abgesehen). Wenige hatten mit dem Krieg tatsächlich gerechnet. Interessant und beunruhigend scheint mir, was die meisten von uns alles nicht gewusst haben, oder gewusst haben wollen, viele haben nicht gewusst, wie abhängig wir von Russland sind; wie erpressbar.

Auch in den meisten Medien, die sich heute mit Bedrohungsszenarien großtun, die eine Katastrophe nach der anderen prognostizieren, auch die haben offenkundig vorher nichts gewusst. Aber jetzt…. Viele scheinen heute zu wissen, dass wir, also die Ukraine, den Krieg gewinnen muss. Wie das wohl gehen soll?

Viele früher sehr friedliebende Menschen lieben heute die Verteidigung, die militärische Verteidigung, und sagen, dass Waffen schützen; dass sie auch töten, verletzen und neue Waffen auf sich ziehen, scheint nicht mehr zu stimmen.

Natürlich verteidigen wir die Freiheit aber auch den Markt. Hätten wir die Freiheit nicht auch in Syrien und anderswo zu verteidigen gehabt, aber eben ohne den Markt?? Ich frage nur.

Ich glaube, dass es schwer ist, tatenlos dem Leiden von Menschen zuzuschauen. Ich glaube, dass es noch schwerer wird, noch mehr Leiden zuzuschauen. Ich glaube aber nicht, dass noch mehr Krieg weniger Leiden bringt. – Ich glaube das. Von Wissen scheinen mir ziemlich alle weit entfernt.

Was machen wir mit der Erkenntnis, dass wir Vieles nicht wissen und jetzt noch nicht einmal wissen, welche Folgen die Lieferung von Waffen hat oder eben die Nichtlieferung….

Angst prägt das öffentliche und private Sprechen

„Nun, die Schonfrist ist zu Ende. Der Glaube, vielleicht nicht individuell, aber doch als Gesellschaft beschützt zu sein, die Gewohnheit, Tod und Zerstörung immer nur woanders, immer nur medial vermittelt zu verorten, ist zerstoben.
Auf einmal zieht die Angst ein vor dem Winter, vor einer nuklearen Katastrophe, vor einem eskalierenden Krieg, und prägt das öffentliche und private Sprechen“. (Carolin Emke).
„In unserer Welt gibt es nicht mehr nur „Stücke“ von Krieg in dem einen oder anderen Land, sondern einen „Weltkrieg in Stücken“, weil die Schicksale der Nationen auf der Weltbühne zutiefst miteinander verflochten sind.“ (Papst Franziskus, Fratelli Tutti).

Wenn wir dem Gedanken nachgehen, dann verändert sich der Fokus, von dem aus wir uns den Dingen stellen müssten. Dann ändert sich die Position, von der aus wir zu einem vermeintlich gerechten und richtigen Urteil kommen.

Nicht mehr die nationalstaatliche Perspektive oder die Bündnisperspektive geben die Richtung der Lösungssuche vor, sondern der Blick auf die Betroffenheit und das Leid jedes einzelnen Menschen führen zu den Handlungsoptionen, die nun gefordert sind. Die globale Vernetzung aller Konfliktlagen erlaubt es nicht mehr, im Krieg und in der Unterstützung von Krieg zu verharren. Vielmehr müssen alle Kanäle und Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die zum Gespräch führen, neue Wege müssen gesucht werden, die die verfeindeten Gruppen zueinander führen und nicht gegeneinander.

„Vielleicht sind wir in dem Dilemma, den Angegriffenen und unterdrückten Menschen beistehen zu müssen/ zu wollen und gleichzeitig die totale Selbstgefährdung nicht riskieren zu wollen/ dürfen. Das ist der Preis der möglichen atomaren Eskalation.

Dass wir Angst haben können vor dem einen und Angst haben können vor dem anderen, sollten wir uns unbedingt gegenseitig zugestehen.“

Viele Menschen betrachteten Demokratie, Freiheit, Frieden als selbstverständlich. Dabei ist mittlerweile klar, dass überhaupt nichts selbstverständlich ist und immer so bleibt.

 

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Im Forum haben wir beschlossen, dass wir uns bei unseren Treffen Zeit zum Nachdenken gönnen wollen. Als Anregung zum Nachdenken soll jeweils ein ca. 5-minütiger Impuls dienen. Bernhard Damm hat dankenswerterweise mit einem Impuls zum Krieg in der Ukraine begonnen. Zudem hat er auf unsere Bitte hin seinen Text für die Webseite zur Verfügung gestellt, wofür wir ebenfalls sehr danken.