Gedenken zur Reichspogromnacht: Universale Solidarität ist notwendig
Ein persönlicher Bericht
(von Werner Nienhüser)[1]Die Ansichten des Verfassers geben nicht unbedingt die Meinung des gesamten Forums oder seiner Mehrheit wieder.
Wie in jedem Jahr fand am 9.11.2024 auf dem Marktplatz in Haltern eine Gedenkveranstaltung statt, die an die Judenpogrome am 9. und 10.11.1938 erinnerte. Rund 350 Menschen waren gekommen, um gegen Faschismus, Antisemitismus und Rassismus zu demonstrieren und für eine demokratische Gesellschaft einzutreten. Musikalisch gerahmt wurde die Gedenkveranstaltung durch passende Beiträge der Band Motel. Jule Brinkert und David Schütz moderierten die Veranstaltung und mahnten an, auch die heutigen Menschenrechtsverletzungen insbesondere in der Ukraine, in Israel und in Palästina in den Blick zu nehmen. Für die Kirchen sprachen Pfarrerin Merle Vokkert und Pfarrer Michael Ostholthoff. Bürgermeister Stegemann hob weitere an dem Tag stattfindende Veranstaltungen hervor und dankte den daran Mitwirkenden. An dem Abend waren zwei Punkte der Veranstaltung für mich besonders beeindruckend: die Beiträge der Halterner Schülerinnen und Schüler sowie die Rede von Benedikt Kern.
Die Beiträge der Halterner Schülerinnen und Schüler zeigten Parallelen auf zwischen der systematischen Diskriminierung jüdischer Menschen unter der nationalsozialistischen Herrschaft, die in einen Völkermord endete, und den alltäglichen Diskriminierungen und Verletzungen der Menschenwürde, etwa durch Feindlichkeit gegenüber dem „Anderen“, dem „Fremden“, dem nicht der Norm Entsprechenden. Dabei gelang es den Schüler:innen, einfache Gleichsetzungen zwischen der Situation im Nationalsozialismus und heute zu vermeiden.
Die Rede von Benedikt Kern, Theologe und Mitarbeiter des Instituts für Theologie und Politik in Münster, bildete den zweiten Höhepunkt der Veranstaltung. Er erinnerte im ersten Teil seiner Rede daran, dass drei Gruppen von Menschen dazu beigetragen hätten, dass es die Pogrome gab: erstens die aktiven Täter, zweitens diejenigen, die zwar nicht geprügelt, gemordet und gebrandschatzt hätten, sich aber z.B. durch den Diebstahl des einen oder anderen Möbelstücks aus den Wohnungen der jüdischen Menschen bereicherten, und drittes diejenigen, die einfach wegsahen, nichts sehen wollten. Und alle sagten später: Wir haben nichts gewusst. Kern forderte daher, dass die Folgerung aus dem „Schwur von Buchenwald“ immer wieder in Erinnerung zu rufen sei: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg.
Im zweiten Teil der Rede rückte Kern die heutige Situation in den Mittelpunkt: Er erinnerte an den Anschlag auf Jüdinnen und Juden in Halle, daran, dass sich Deutschland an Kriegen beteilige und Waffen liefere, dass die Würde und die Rechte von Geflüchteten an den Außengrenzen, aber auch in Deutschland selbst verletzt werden. Besonders schlimm sei, dass wir uns alle sehr schnell daran gewöhnten. Wie 1938 sei die Zahl der „Stummen“ groß. Notwendig sei eine universale, also andere nicht ausschließende Solidarität. Und (so versteht der Verfasser dieser Zeilen den Redner) aus der Forderung „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ muss aktives, sich etwa für die Rechte der Geflüchteten einsetzendes Handeln folgen.
Die komplette Rede von Benedikt Kern kann man hier herunterladen.
Ein Film von Wolfgang Thiemann dokumentiert die Veranstaltung.
Fotogallerie (bitte für mehr Fotos auf das Bild klicken)[3]Danke an Jan Rockahr und Thomas Rath für die Fotos
Anmerkungen