Geld für Hunger und (gegen) Krieg – wer soll das bezahlen?

Werner Nienhüser[1]Die Ansichten des Verfassers geben nicht unbedingt die Meinung des gesamten Forums oder seiner Mehrheit wieder.

Hunger – obwohl genug Nahrung für alle da ist

Die Erde reicht aus, um alle Menschen gut zu ernähren. Dennoch hungern mehr als 700 Millionen  (The Sustainable Development Goals Report 2024).[2]Die Weltbank nennt ebenfalls diese Zahl. Bei allen Zahlen habe ich mich bemüht, zuverlässige Quellen zu verwenden. Wenn es aufgrund unterschiedlicher Definitionen, Zeiträume oder Schätzmethode … Continue reading „Das sind einer von elf Menschen weltweit und einer von fünf in Afrika. Darüber hinaus waren 2,3 Milliarden Menschen, etwa knapp 30 Prozent der Weltbevölkerung, mäßig oder stark von Ernährungsunsicherheit betroffen“ (The Sustainable Development Goals Report 2024). „Alle dreizehn Sekunden stirbt ein Kind unter fünf Jahren an den Folgen von Hunger.“ (World Food Programme 2025).

Jean Ziegler nimmt den Kapitalismus, genauer gesagt, die großen Konzerne und Oligarchen dafür in Verantwortung:

„Die Weltkonzerndiktatur, die Oligarchien des internationalen Finanzkapitals plündern überall die Rohstoffe und die Nahrungsmittel. 52,8 Prozent des Weltbruttosozialprodukts werden von 500 Konzernen erwirtschaftet. So etwas gab es noch nie. 2017 besaßen die 85 reichsten Milliardäre der Welt so viel wie die ärmere Hälfte der Menschheit. Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren. Dabei könnte die Landwirtschaft, so wie sie heute ist, problemlos 12 Milliarden Menschen ernähren. Ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet. Wir leben in einer kannibalischen Weltordnung.“ (Jean Ziegler, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung; Interview in der Frankfurter Rundschau am 14.4.2019). [3]Das Zitat findet sich so oder ähnlich an vielen Stellen im Internet, u.a. hier: https://17ziele.de/ziele/2.html. Oxfam nennt ähnliche Ursachen: … Continue reading

Wieviel Geld braucht man, um den Hunger zu beenden?

Das U.N. World Food Programme wendete 2021 9,6 Mrd. USD[4]Wenn nicht anders angegeben, nenne ich alle Beträge in US-Dollar, 1 USD = 0,92 Euro am 28.3.25. auf, um extremen Hunger von über 100 Millionen Menschen zu bekämpfen. Benötigt würden aber knapp 15 Mrd. Und um allen 700 Millionen Hungernden zu helfen und den Hunger bis 2030 zu beenden, wären 40 Mrd. USD aufzuwänden. Oxfam schätzt, dass man 23 Mrd. US-Dollar braucht, um extremen, zum Tode führenden Hunger zu beenden, und 37 Mrd., um auch chronischen Hunger zu beseitigen.[5]Eine aufwändige wissenschaftliche  Untersuchung bestätigt eine Summe von 40 Mrd. (Chichaibelu, B. B., Bekchanov, M., Von Braun, J., & Torero, M. (2021). The global cost of reaching a world … Continue reading).

Ausgaben für Militär

Oxfam weist darauf hin, dass die knapp 40 Mrd. USD, die man zur Beseitigung des Hunger bräuchte, knapp 3 Prozent der jährlichen Militärausgaben (1,2 Mrd. US-Dollar) der G7-Staaten, betragen.[6]„Nach Angaben von SIPRI beliefen sich die jährlichen Militärausgaben der G7 im Jahr 2023 auf insgesamt 1,2 Billionen Dollar. Kanada gab 27,2 Milliarden Dollar aus, die USA 916 Milliarden Dollar, … Continue reading

Militärausgaben

Land Ausgaben absolut
(Mrd.  USD)
Prozent vom Bruttoinlandprodukt (GDP)
Weltweit 2.443 2,3
USA 916 3,4
China 296 1,7
Russland 109 5,9
Vereinigtes Königreich (UK) 74,9 2,3
Deutschland 66,8 1,5
Ukraine 64,8 37
Frankreich 61,3 2,1

Militärausgaben ausgewählter Ländern (Tian, N., Da Silva, D. L., Liang, X., & Scarazzato, L. (2024). Trends in World Military Expenditure, 2023 – Sipri Factsheet, April 2024)

Zu einfach?

Gewiss will ich es mir nicht so einfach machen, den Militärausgaben die tatsächlichen und notwendigen Ausgaben für Hungerhilfe ohne weitere Überlegungen gegenüberzustellen. Ich vertrete nicht die Auffassung, dass man nur die Militärausgaben reduzieren müsste (ggf. auf Null) und dann könnten wir (wer ist wir?) mit diesen finanziellen Mitteln Hunger (sowie Armut und Mangel an Bildung) bekämpfen. Eine Verteidigung gegen hochgerüstete Aggressoren ist vermutlich für sehr viele Länder notwendig. Eine Alternative (außer der radikalpazifistischen Position einer Unterwerfung mindestens ohne militärische Verteidigung, vielleicht sogar ohne Zivilverteidigung ) sehe ich derzeit nicht. Und bestünde nicht bei einer (einseitigen) Abrüstung zumindest die Gefahr, dass Aggressoren zur Landnahme ermutigt würden, Länder okkupierten und deren Ressourcen (auch die menschliche Arbeitskraft) ausbeuteten? Das wäre der Lösung des Welthungerproblems vermutlich eher abträglich.

Dennoch ist die Frage zu stellen, wie viel wir für Militär und Waffen und wie viel wir für Hungerbekämpfung, die auch dem Frieden dient, ausgeben müssen. Wenn wir die für die Hungerbekämpfung jährlich nötigen 40 Mrd. USD mit den 2.443 Mrd. USD für Militärausgaben vergleichen, wenn wir also nur 1,6 Prozent der Militärausgaben aufwänden müssten, um Hunger zu bekämpfen, dann legt dies nahe, dass diese Summe leicht aufgebracht werden könnte.

Vermögenssteuer

Aufgebracht werden könnten die Mittel zur Hungerbekämpfung leicht (leicht, was die Summe anbelangt, nicht die Durchsetzung) allein durch eine Vermögenssteuer. Diskutiert werden unterschiedliche Vorschläge. Ich greife hier einen recht moderaten Vorschlag einer Gruppe von NGOs, darunter Oxfam, auf. Sie schlägt eine Vermögenssteuer von 2 bis 3 Prozent auf Vermögen ab fünf Millionen US-Dollar vor; ab einer Milliarde wären 5 Prozent zu zahlen.

Steuereinnahmen in Deutschland

Von einer solchen Steuer wären im Deutschland 200.000 Menschen betroffen. Die gesamten Steuereinahmen betrügen rund 85 Milliarden jährlich. Wenn man „bescheidener“ beginnt und die 5.000 Vermögensmilliardäre mit 2 Prozent besteuert, betrügen die Einnahmen bis zu 28 Milliarden Euro.[7]Oxfam; Patriotic Millionaires; Instutte for Policy Studies, Fight Inequality. (2022). Taxing Extreme Wealth. An annual tax on the world’s multi-millionaires and billionaires: What it would raise … Continue reading

Steuereinnahmen weltweit

“Eine Vermögenssteuer von 2 % auf die Millionäre der Welt, 3 % auf diejenigen mit einem Vermögen von über 50 Millionen Dollar und 5 % auf die Milliardäre der Welt würde jährlich 2,52 Billionen Dollar einbringen. Dies würde ausreichen, um 2,3 Milliarden Menschen aus der Armut zu befreien, genügend Impfstoffe für die ganze Welt herzustellen und allen Bürgern der Länder mit niedrigem und unterem mittleren Einkommen (3,6 Milliarden Menschen) eine allgemeine Gesundheitsversorgung und sozialen Schutz zu bieten.“[8]Oxfam; Patriotic Millionaires; Institute for Policy Studies, Fight Inequality. (2022). Taxing Extreme Wealth. An annual tax on the world’s multi-millionaires and billionaires: What it would raise … Continue reading.

2.520 Milliarden (USD) Steuereinahmen nur aus dieser moderaten Vermögenssteuer würden damit die gesamten Militärausgaben der Welt (2. 442 USD) abdecken. Ähnlich ist es für die G7-Länder: 1.200 Mrd. Militärausgaben könnten zu einem erheblichen Teil mit Vermögenssteuereinnahmen von rund 1.000 Mrd. finanziert werden.

Vermögenssteuer – ein Schritt

Also: Vermögenssteuer. Dann kann der Hunger leicht bekämpft werden. Auch Militärausgaben lassen sich finanzieren. Alles leicht zu fordern, aber schwer umzusetzen. Die Reichen haben Macht. Die nicht so Reichen nutzen ihre Macht nicht. Das gefällt den Reichen.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Die Ansichten des Verfassers geben nicht unbedingt die Meinung des gesamten Forums oder seiner Mehrheit wieder.
2 Die Weltbank nennt ebenfalls diese Zahl. Bei allen Zahlen habe ich mich bemüht, zuverlässige Quellen zu verwenden. Wenn es aufgrund unterschiedlicher Definitionen, Zeiträume oder Schätzmethode etc. sehr große Differenzen gibt, dann habe ich versucht, einen „mittleren“ Wert zu nehmen. Die Quellen habe ich sämtlich angegeben, sodass die Zahlen überprüft werden können.
3 Das Zitat findet sich so oder ähnlich an vielen Stellen im Internet, u.a. hier: https://17ziele.de/ziele/2.html. Oxfam nennt ähnliche Ursachen: https://www.oxfam.de/unsere-arbeit/themen/10-gruende-fuer-hunger. Dass die Weltbank eine andere Liste von Gründen hat, verwundert nicht: Die Konzerne spielen bei ihr keine Rolle. https://blogs.worldbank.org/en/opendata/five-alarming-statistics-on-global-hunger
4 Wenn nicht anders angegeben, nenne ich alle Beträge in US-Dollar, 1 USD = 0,92 Euro am 28.3.25.
5 Eine aufwändige wissenschaftliche  Untersuchung bestätigt eine Summe von 40 Mrd. (Chichaibelu, B. B., Bekchanov, M., Von Braun, J., & Torero, M. (2021). The global cost of reaching a world without hunger: Investment costs and policy action opportunities. Food Policy, 104, 102151. https://doi.org/10.1016/j.foodpol.2021.102151; siehe auch https://ourworldindata.org/data-insights/progress-on-reducing-global-hunger-has-stagnated
6 „Nach Angaben von SIPRI beliefen sich die jährlichen Militärausgaben der G7 im Jahr 2023 auf insgesamt 1,2 Billionen Dollar. Kanada gab 27,2 Milliarden Dollar aus, die USA 916 Milliarden Dollar, Japan 50,2 Milliarden Dollar, Frankreich 61,3 Milliarden Dollar, Deutschland 66,8 Milliarden Dollar, Italien 35,5 Milliarden Dollar und das Vereinigte Königreich 74,9 Milliarden Dollar.“ https://www.oxfam.org/en/press-releases/less-3-g7-military-spending-could-help-end-global-hunger-and-solve-global-south-debt; Übersetzung von WN mit Hilfe von Deepl.com. Siehe zu den Zahlen von SIPRI: https://www.sipri.org/publications/2024/sipri-fact-sheets/trends-world-military-expenditure-2023
7 Oxfam; Patriotic Millionaires; Instutte for Policy Studies, Fight Inequality. (2022). Taxing Extreme Wealth. An annual tax on the world’s multi-millionaires and billionaires: What it would raise and what it could pay for.
8 Oxfam; Patriotic Millionaires; Institute for Policy Studies, Fight Inequality. (2022). Taxing Extreme Wealth. An annual tax on the world’s multi-millionaires and billionaires: What it would raise and what it could pay for. Übersetzung WN mit Hilfe von Deepl